Schätzungsweise leben 1,1% der deutschen Bevölkerung vegan. Deswegen können wir davon ausgehen, dass mindestens 90% aller Deutschen regelmäßig Fleisch, Eier und/oder Milchprodukte aus Massentierhaltung konsumieren, obwohl kaum jemand behaupten würde, dass diese Art der Tierhaltung gut und unterstützenswert ist. Ich bin mir sicher, dass jeder meiner Freunde und Bekannten sich auf direkte Nachfrage gegen Massentierhaltung aussprechen würde. Das zeigt mir, dass Mitgefühl mit Tieren kein individuelles Hippie-Gefühl ist, sondern die Natur aller Menschen. Aber wie ist es dann möglich, dass eine große Mehrheit meines Umfeldes täglich Produkte konsumiert, die genau diese Massentierhaltung unterstützen?
Wie ein solcher Umgang mit Tieren aussieht, wenn ein Schwein sein ganzes Leben auf einer Fläche von unter einem Quadratmeter verbringen muss, kann sich jeder auch ohne „Schock Videos“ vorstellen. Und sobald wir darüber Bescheid wissen, sind wir auch dafür verantwortlich. Wir können diese Verantwortung nicht der Industrie zuschieben und hoffen, dass entsprechende Großkonzerne irgendwann Rücksicht auf das Wohl der Tiere nehmen werden. Mit jedem gekauften Produkt aus Massentierhaltung zeigen wir, dass uns unsere Bequemlichkeit mehr am Herzen liegt als das Wohl von Millionen Tieren und Menschen.
Natürlich wird es auch hier immer Menschen geben, die ganz andere Sorgen haben und deswegen auch nicht die Verantwortung tragen sollen. Aber wer von uns würde wirklich behaupten, keine Zeit und Mittel zu haben, um sich über Massentierhaltung zu informieren und nach Alternativen zu suchen? Und mit Alternativen meine ich nicht, alle tierischen Produkte mit irgendwelchen pflanzlichen Ersatzprodukten auszutauschen. Mir ist bewusst, dass viele von uns nicht vegan leben wollen. Dafür hat jeder seine individuellen Gründe, die auf jeden Fall hinterfragt aber nicht gleich als falsch abgetan werden müssen. Allen Menschen und Tieren wäre schon geholfen, wenn jeder sich ehrlich bemühen würde, nur Produkte zu konsumieren, deren Produktion nicht im Widerspruch zu den eigenen Vorstellungen von Ethik und Gerechtigkeit steht. Wer also grundsätzlich kein Problem damit hat, Tiere für die Lebensmittelproduktion zu nutzen, genau darüber Bescheid weiß, wie diese Tiere gehalten werden und darin keine Abweichungen zu seinen Moralvorstellungen sieht, dem sollte diese Konsumentscheidung nicht zum Vorwurf gemacht werden. Jeder, der in einem Fischerdorf lebt und einen benachbarten Imker hat, kann wahrscheinlich kaum etwas Nachhaltigeres tun, als ab und zu Fisch und Honig zu konsumieren.
Da wir jedoch nicht unter solchen Umständen leben, werden wir bei unserem Konsum vor deutlich schwerere Entscheidungen gestellt. Denn auch wenn man für sich keine vertretbare Möglichkeit des Konsums von tierischen Lebensmitteln findet und sich rein pflanzlich ernährt, stößt man auf Produkte, deren Produktion man bei genauerer Betrachtung nicht unterstützen möchte. Fakt ist: wir können nicht immer genau das Richtige kaufen, aber das sollte uns nicht davon abhalten, es zu versuchen. Jede einzelne Kaufentscheidung kann Veränderungen vorantreiben oder verhindern. Danke fürs Lesen<3
Illustration von Lennart Leibold
Illustration von Lennart Leibold
Nadine von The Vegan Revolution says
Bequemlichkeit ist dabei wahrscheinlich das richtige Wort! Viele Menschen denken sich wahrscheinlich auch: Es essen ja alle Fleisch/Käse/etc, also kann es garnicht soo schlimm sein.. Aber in Wahrheit macht man sich ja nur selbst etwas vor. Ich jedenfalls fühle mich sehr viel besser seit ich vegan bin, sowohl körperlich als auch mit meinem Gewissen! 😛
Pia Schulzebrüdrop says
Hey, danke für den Kommentar (: Ich meine im Endeffekt will jeder Mensch vor allem glücklich sein und viele denken verständlicher Weise, dass sie mit ihrer Bequemlichkeit glücklicher sind als wenn sie ihre Art zu Leben hinterfragen. Freut mich aber zu hören, dass es dir mit dem Veganismus auch so gut geht<3
Jenni says
Ich denke auch, dass die Tatsache, dass nicht schon längst viel mehr Menschen vegan leben, viel mit Bequemlichkeit zu tun hat. Aber auch mit Verdrängung. Das geht Hand in Hand, denke ich. Denn meiner Erfahrung nach wissen viele Menschen sehr wohl, wie es in der industriellen Massentierhaltung zugeht (oder können es sich zumindest vorstellen), schieben den unliebsamen Gedanken aber immer wieder weg, sobald er droht, ins Bewusstsein zu rücken. Das habe ich persönlich auch sehr lange gemacht und heute schäme ich mich fast ein wenig dafür. Wahrscheinlich muss daher intensive Aufklärungsarbeit geleistet werden, die man einfach nicht übersehen und überhören – und demensprechend auch nicht verdrängen – kann. Ich finde daher die Strategie von PETA persönlich sehr gut.
Aber auch so schöne Food- und vegane Lifestyleblogs wie deine können die Menschen zumindest ein wenig zum Nachdenken anregen – vor allem, wenn sie herausfinden, dass vegan gar nicht so kompliziert und schwierig und teuer ist, wie sie sich vorgestellt hatten.
Liebe Grüße
Jenni
Leali says
Das seh ich alles genau so. Besonders auch dieser nächste Schritt, bei allen Produkten auf die Herkunft zu achten, ist ziemlich schwierig, finde ich. Denn auch Kaffee, Schokolade, Bananen, Tomaten, Avokados usw. sind vielleicht nicht das Coolste was man kaufen kann, selbst wenn sie Bio und/oder Fairtrade sind, denn dann kommen sie immer noch von weit her und auch die Bio/Fairtrade Standards sind leider nicht unbedingt so gut, wie sie sein sollten. Aber gerade deshalb finde ich, dass jeder Kauf zählt und man nicht verzweifeln sollte – und vor allem das Sich-Bewusst-Werden ist schon mal ein toller und wichtiger Schritt!
Caroline says
Der Text ist so schön geschrieben und ich kann dir nur zustimmen. Ich denke außerdem auch, dass viele sich mit dem Thema Tierhaltung und Veganismus gar nicht erst auseinandersetzten wollen, weil sie dann (aufgrund moralischer Ideale) etwas ändern „müssten“ und das wollen sie – wie du richtig gesagt hast – aus Bequemlichkeit eher nicht tun.
Gerade deshalb sind Blog wie deiner so wichtig! Ich denke, dass es vielen auch an Inspiration mangelt bzw. dass sie sich die Ernährungsumstellung viel schwieriger vorstellen, als sie meiner Meinung nach ist. Aber du zeigst uns ja immer wieder aufs Neue wie leicht es ist leckere vegane Rezepte zu kochen! Danke für den tollen Content!
Liebe Grüße!
Jitka says
Ich folge dem Motto „Jeder Geldschein ist ein Wahlschein“ und versuche so oft es geht, wenn schon konsumieren, dann auf jeden Fall bewusster zu konsumieren.
Ich mag dein Titelbild. Die zugehaltenen Augen, das trifft den Zeitgeist unserer Gesellschaft leider zu gut. Wieviel Fleisch würden die Leute essen, wenn die Schlachtfabriken mitten in der Stadt liegen würden? Finde deinen Blog sehr ansprechend. LG Jitka